Temperaturbedingte Reichweitenschätzung in der Elektromobilität

Christian NickelAllgemein

Kalte Wintertage haben einen unmittelbaren und erheblichen Effekt auf die Reichweite von Elektrofahrzeugen: Einerseits erhöht sich der Energiebedarf durch den Betrieb der Heizung etwa für den Fahrzeuginnenraum oder die Fahrzeugbatterie. Andererseits werden elektrochemische Prozesse innerhalb der Lithium-Ionen-Batterie selbst und damit auch die Stromzufuhr abgeschwächt[1], [2]. Laut ADAC2 können mit niedrigen Umgebungstemperaturen bis zu 50% Reichweitenverlust einhergehen.

Aber auch zu warme Temperaturen wirken sich negativ auf die Reichweite von Elektrofahrzeugen aus. Durch die hierdurch beschleunigten elektrochemischen Prozesse innerhalb der Batterie kann die Energie nicht mehr umfänglich gespeichert werden und somit die Kapazität abnehmen.[3]

Der optimale Temperaturbereich für eine größtmögliche Reichweite befindet sich generell zwischen 15 und 25°C3. Je mehr die Temperatur also von diesen Werten abweicht, desto mehr Energie ist nötig und desto geringer ist die Reichweite von Elektrofahrzeugen.

Um ein auf Elektromobilität ausgerichtetes Routing bereitzustellen, haben sich die Projektpartner der HafenCity Universität und der YellowMap AG zum Ziel gesetzt, den Einfluss der Außentemperatur auf die Reichweite von Elektrofahrzeugen in einem Routingalgorithmus zu berechnen und auf einer Karte zu visualisieren.

Das im Rahmen des Forschungsprojekts FAIR entwickelte e-Routing Tool berücksichtigt diesen temperaturbedingten Reichweitenverlust, indem dem Nutzer Ladestopps – in Abhängigkeit der vorhergesagten Umgebungstemperatur – auf dessen geplanter Route empfohlen werden. Über die Benutzeroberfläche der SmartMaps-Plattform wählt der Nutzer, in der Regel der Fahrzeugführer, Start- und Zielort sowie seine gewünschte Startzeit. Außerdem definiert er den State of Charge (SoC, Akkuladestand) sowohl zum Startzeitpunkt als auch denjenigen, den das Fahrzeug bei Ankunft am nächsten Ladestopp nicht unterschreiten soll. Auf Grundlage dieser Informationen werden im Hintergrund die stündlichen Temperaturwerte (Vorhersagen der ICON-D2 Daten) abgefragt und auf den jeweils prognostizierten Fahrzeugstandort übertragen. Dieser Standort wird anhand der angenommenen Fahrgeschwindigkeit sowie der temperaturbedingten Reichweite berechnet.

Die auf Basis der Lufttemperatur kalkulierte Reichweite bis zum nächsten Ladestopp sowie die entsprechende Ankunftszeit ermöglicht dem Nutzer eine realistischere Reiseplanung im Vergleich zu herkömmlichen Routing-Tools, die eine Wetter-Komponente unberücksichtigt lassen.

Prototyp der Benutzeroberfläche des e-Routing Tools mit den durch den Nutzer frei definierbaren Parametern Start- und Zielort, Startzeit, Fahrzeug, SoC zum Start, minimaler SoC bei Ladestopp


[1] Argue, C. (2020, 25. Mai). Wie wirkt sich die Temperatur auf die Reichweite des Elektrofahrzeugs aus? Geotab. https://www.geotab.com/de/blog/elektrofahrzeuge-batterie-temperatur/

[2] ADAC. (2022, 1. März). Elektroauto im Winter: Wenn die Reichweite schwindet… https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/elektromobilitaet/info/elektroauto-reichweite-winter/#wichtig-akku-groesse-und-heizstrategie-

[3] Volkswagen. (o. D.). Akkus bei Kälte: Warum sie sich schneller entladen. https://www.volkswagen.de/de/elektrofahrzeuge/elektromobilitaet-erleben/elektroauto-technologie/akkus-bei-kaelte-warum-sie-sich-schneller-entladen.html